Angeregt durch Andis Thread zur Cuba Libre
- ich kannte den Thread noch nicht, schon etwas älter, jedoch sehr lesenswert und einiges davon habe ich ähnlich "durchlebt" wie es Andi beschrieben hat -
habe ich noch ein Thema in der Beschreibung meines Setups ergänzt, welches bisher noch gefehlt hat:
Die Zielkurve / Absenkung des Präsenzbereichs
Damit Ihr es nicht mühsam in meinen epischen Ausführungen suchen müsst hier der Auszug:
Eine Frage, die die meisten irgendwann beschäftigt, ist die individuelle Zielkurve (Lautstärkeanpassung über Frequenz).
Ich bin im Laufe der Zeit zu folgender Zielkurve gelangt:
Orange ist die Zielkurve für alle Kanäle außer LFE, hellblau entsprechend für den LFE.
Detaillierter eingehen will ich auf die Absenkung im Präsenzbereich (1500 – 3000 Hz).
Anfangs – damals noch ohne die Absenkung des Präsenzbereichs – hatte ich bei meinem Setup bei einigen Musikstücken und höherer Lautstärke das Empfinden, dass der Klang zu hart und scharf war, stellenweise empfand ich den Klang sogar als unangenehm.
Zwei Beispiele
Pink Floyd – Another brick in the wall: Höhere und lautere Passagen des Kinderchors
Livingston Taylor – Isn’t she lovely: Die höheren und lauteren Pfeiftöne am Anfang
Gefühlt hörte sich bei diesen Passagen die mittleren/hohen Frequenzen einfach zu laut an, so als läge hier eine deutliche Überhöhung des entsprechenden Frequenzbereichs vor.
In den Meßschrieben von Altitude und REW fand ich jedoch keine entsprechenden Überhöhungen und ich fragte mich worin die Ursache für den Höreindruck liegen könnte.
Da sich das Phänomen nur hören, aber nicht messen ließ, bin ich das Thema im Folgenden mit Hörversuchen angegangen.
So wie sonst REW mit einem Frequenzsweep den Amplitudengang ermittelt habe ich Hörversuche mit einem Gleitsinus von 500 bis 5000 Hz jeweils über 60 Sekunden durchgeführt um den problematischen Frequenzbereich zu identifizieren.
Da dieser unangenehme Klangcharakter nur bei hohen Lautstärken so hervortrat habe ich den Hörversuch bei einer höheren Lautstärke durchgeführt.
Mein subjektiver Höreindruck bei diesem Versuch war wie folgt:
500 Hz ... 600 Hz ... 800 Hz ...
Hört sich okay an, gleichmäßige Lautstärke ohne nennenswerte wahrnehmbare Schwankungen
1000 Hz ... 1200 Hz ...
Weiterhin gleicher Eindruck wie zuvor
1400 Hz ... 1600 Hz ... 1800 Hz ... 2000 Hz
Der Eindruck ändert sich, die gefühlte Lautstärke nimmt zu, nimmt deutlich zu, es hört sich nun auch unangenehm an
2200 Hz ... 2500 Hz
Noch lauter, Lautstärkemaximum bei um die 2500 Hz, es wird sehr unangenehm, das tut schon in den Ohren weh!
3000 Hz
Wieder etwas leiser, aber immer noch gefühlt sehr laut und ziemlich unangenehm
3500 Hz
Wieder etwas lauter und unangenehmer, wenn auch nicht ganz so schlimm wie bei 2500 Hz
4000 Hz ... 4500 Hz ... 5000 Hz
Die gefühlte Lautstärke geht wieder deutlich zurück, es ist auch nicht mehr unangenehm
Ich war damals sehr überrascht:
Der objektiv gemessene Amplitudengang war linear - mein subjektives Lautstärkeempfinden war jedoch alles andere als linear.
Die beschriebenen Frequenzen hörten sich V I E L lauter an und unangenehme Empfinden war bei dem Gleitsinus noch um eine ganze Größenordnung schlimmer als im Höreindruck mit den kritischen Musikstücken.
Im nächsten Schritt habe ich mit verschiedenen Eingriffen in den Amplitudengang experimentiert bis ich schließlich über den ganzen Frequenzsweep ein konstantes Lautstärkeempfinden erreicht habe.
Mit dem reduzierten und nun gleichmäßigen Lautstärkeempfinden war auch der unangenehme Charakter bei dem Gleitsinus sehr deutlich reduziert.
Zunächst hatte ich im Bereich von 1,5 bis 4 kHz eine breite Absenkung mit bis zu 4 … 5 dB vorgenommen.
Mit dieser Einstellung war der harte Klangcharakter auch bei hoher Lautstärke und den kritischen Passagen der Musikstücke komplett verschwunden.
Der klangliche Unterschied zu einem linearen Frequenzgang war geringer als ich es erwartet hatte.
Bei hinsichtlich des „Nervfaktors“ unkritischen Titeln würde ich den Unterschied so beschreiben, dass es sich im direkten A-B Hörvergleich mit der Absenkung in diesem Bereich etwas „dünner“ anhörte.
Interessanterweise waren es genau die Musikpassagen, die vorher bei hoher Lautstärke ohne Absenkung zu nervig / scharf / hart rüber kamen, die mir nun aber doch zu weichgespült vorkamen.
Z.B. habe ich eine Live Aufnahme mit Saxophon, das ohne Absenkung insbesondere bei hohen Lautstärken einen anstrengenden Sound hat.
Mit der 4 … 5 dB Absenkung wirkte das Saxophon nun jedoch brav und gezähmt.
Da fehlte ein Stück weit der ungestüme Live Charakter und die Authentizität von einem echten Saxophon, der anstrengende Sound gehört da dazu.
Ebenso stellte ich fest, dass Filmton-Ereignisse wie z.B. Schüsse etwas zu gezähmt klangen.
Im nächsten Schritt habe ich die Absenkung auf ca. 3 dB reduziert und daher insbesondere die kritischen Passagen noch einmal damit angehört.
Der nervige / harte / scharfe Hochton war bei -3 dB zwar nicht komplett weg aber doch so weit reduziert, dass es für mich nicht mehr störend war, auch nicht bei sehr hoher Lautstärke.
Mit der geringeren Absenkung passte es auch wieder besser mit dem Live Charakter der Saxophon Aufnahme und der entsprechenden Filmtonsequenzen.
Es war zwar etwas zahmer als die lineare Wiedergabe, aber in einem Maße welches für mich eine gute Balance zwischen live/dynamisch und angenehm/ausgewogen darstellt.
Am Ende bin ich dann bei einer Absenkung des Präsenzbereichs von 2,5 dB angekommen und damit fahre ich mein Setup nun seit mehreren Jahren zu meiner vollen Zufriedenheit.
Im übrigen habe ich später gelernt, dass eine Absenkung des Präsenzbereichs durchaus häufiger bei Lautsprechern vorgenommen wird und dass es auch im PA Bereich üblich ist, bei hohen Schallpegeln einen breiteren Bereich um 3 kHz um bis zu 3 dB abzusenken (ebenfalls vor dem Hintergrund, dass dieser Frequenzbereich bei hoher Lautstärke von vielen als unangenehm empfunden wird).
Wer sich schon mal mit dem Thema beschäftigt hat weiß natürlich, dass es diverse Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen objektivem Schallpegel und subjektiv wahrgenommener Lautheit gibt, hier ein paar Links:
de.wikipedia.org/wiki/Gehörrichtige_Lautstärke
sengpielaudio.com/Acoustics226-2003.pdf
sengpielaudio.com/Fletcher-MunsonIstNichtRobinson-Dadson.pdf
Man sieht, dass die Kurven gleicher Lautheit je nach Untersuchung ziemlich deutlich variieren - und dabei sind die Kurven bereits jeweils eine Mittelung über eine Anzahl von Testpersonen.
Die individuellen Kurven je nach Person unterscheiden sich also noch einmal mehr.
Die neueste Kurve lt. ISO226:2003 passt dabei am wenigsten zu meinem Empfinden, die älteren Kurven von Fletcher-Munson und Robinson-Dadson passen hingegen ziemlich gut.
Das bedeutet allerdings auch, dass es nicht die eine perfekte Zielkurve gibt, die für alle Menschen gleichermaßen passt.
Sowohl die Frequenzen als auch die Pegelreduzierungen unterscheiden sich von Person zu Person.
Übrigens hatte der Bericht über meine Erfahrungen seinerzeit im beisammen Forum zu einer lebhaften Diskussion geführt. Eine Frage war ob man eine solche Anpassung vornehmen darf (erlaubt ist was gefällt) oder vornehmen soll (Ausgleich einer individuellen Wahrnehmungsabweichung, analog wie bei einer Brille).
Einen Konsens haben wir natürlich nicht erzielt …