Wenn es um Tücher mit hohem Gain geht, wird zwischen "angular"- und "retro"-reflektiv unterschieden. Tücher mit der ersten Eigenschaft reflektieren das Licht nach dem Prinzip Einfallswinkel = Ausfallswinkel. Retroreflektive reflektieren dagegen immer zur Lichtquelle zurück. Wenn es um die Unterschiede geht, findet man meist nur Hinweise darauf, dass der Projektor bei angular möglichst an der Decke hängen sollte und bei retro möglichst auf Augenhöhe. Das heißt, es wird nur auf die vertikalen Eigenschaften eingegangen.
Inzwischen haben wir aber im Heimkino mit Cinemascope Leinwände, die mehr als doppelt so breit sind wie hoch. Und wir haben mehrere Sitzplätze nebeneinander. Das heißt der vertikale Hotspot ist gar nicht das größte Problem, sondern der horizontale, da hier viel größere Winkelunterschiede auftreten. Ich habe eine horizontale Betrachtung der Reflexionswinkel für verschiedene Punkte auf der Leinwand und für verschiedene Sitzplätze durchgeführt. Hier ist das Ergebnis.
Alpha gibt an, wie groß der Winkel des beim Sitzplatz einfallenden Lichts zum Maximum der Hauptabstrahlkeule ist. Je größer Alpha, desto geringer fällt die Leuchtdichte am Sitzplatz aus. Die Leuchtdichte über Winkel ist bei vielen Leinwandherstellern auf der Homepage oder in PDFs zu finden. Hier z.B.
Zunächst der Trivialfall: mittiger Sitzplatz und Leinwandmitte.
Der Winkel beträgt 0°, die maximale Leuchtdichte wird erreicht.
Als nächstes ist der Rand der Leinwand betrachtet und die Unterschiede zwischen Angular und Retro werden deutlich. Während bei Angular die Hauptabstrahlkeule zur Seitenwand zeigt und die Winkel sehr groß ist, ist er bei Retro relativ klein. Das heißt im Klartext: die Ausprägung des Hotspots bei Angular ist groß, bei Retro klein. Das erklärt auch, warum die Da-Lite High Power mit Gain 2.8 (!) damals (und immer noch) so beliebt war (die Elunevision 4K PureBright soll sehr ähnlich sein). Das war nämlich ein retroreflektives Tuch.
Wie sieht das an seitlichen Sitzplätzen aus?
An der Seite der Leinwand, zu der Zuschauer näher sitzt, ist der Unterschied ähnlich wie oben. Angular erzeugt den größeren Winkel.
Die Mitte der Leinwand verhält sich bei beiden, wie zu erwarten, identisch.
Und auch bei der rechten Seite "gewinnt" die retroreflektive Variante.
Das heißt, selbst für die seitlichen Sitzplätze ist der Hotspot bei retroreflektiv geringer.
Wie verhält sich das bei einer gekrümmten Leinwand?
Es ist keine Neuigkeit, dass eine gekrümmte Leinwand ähnlich wie ein Parabolspiegel wirkt und das Licht auf seiner gesamten Fläche auf einen Sitzplatz konzentriert. Die Krümmung wurde im folgenden Beispiel so angenommen, dass der Mittelpunkt im mittleren Sitzplatz liegt.
Da der Projektor in der Regel hinter dem Referenzplatz liegt, ergibt sich auch an diesem Platz ein Alpha ungleich 0°. Der Winkel ist allerdings für beide Reflexionsarten relativ klein.
Für seitliche Sitzplätze und bei der Leinwandseite, die näher am Sitzplatz ist, sind die Winkel relativ ähnlich.
Für die andere Leinwandseite gilt das nicht. Hier ist angularreflektiv im Vorteil.
Fazit: Was den Hotspot angeht, ist man bei einer planen Leinwand mit retroreflektiv deutlich besser bedient. Bei einer gekrümmten Leinwand sieht es für angular etwas besser aus, die Unterschiede sind hier aber längst nicht so groß wie ohne Krümmung.
Bisher sind alle perforierten Tücher mit hohem Gain, die mir untergekommen sind, angularreflektiv. Ich weiß nicht, ob es überhaupt retroreflektive Tücher in dieser Kategorie mit Mikroperforation gibt. Ich konnte bisher keine finden.
Das gefürchtete Glitzern soll wohl nur bei angularreflektiven Tüchern vorhanden sein, weil die Oberfläche mit kleinen spiegelnden Elementen bestückt ist (kennt ja jeder). Retroreflektiv funktioniert dagegen anders. Soweit ich weiß, werden hier kleine transparente Kugeln in das Material eingebettet, die dann das Licht zur Quelle zurückwerfen.
Gruß
Nils