Da letztens das Thema der "kickenden" Schüsse in "John Wick" aufkam und mich interessierte, welcher Frequenzbereich dafür verantwortlich ist, habe ich mal einen Selbstversuch gemacht.
Zunächst das Spektrum von Center und LFE der ersten drei Schüsse im Spa (00:50:17).
Man sieht also, dass der LFE sehr tief runtergeht und sogar Frequenzen unter 10 Hz mit relevantem Pegel enthält. Der Center fällt unterhalb von 20 Hz langsam ab.
Mein Heimkino ist komplett linearphasig. Der Bass hat also auch bei 10 Hz keine nennenswerte Gruppenlaufzeitverzerrung. Warum das wichtig für den Test ist, führe ich weiter unten aus.
Amplitude
Um herauszufinden, welcher Frequenzbereich das Spürbare dieser Abmischung ausmacht, habe ich Filter generiert und sie auf das Quellmaterial angewandt. Die Filter sind als linearphasige FIR-Filter mit rePhase realisiert. Gefaltet habe ich mit SoX. Linearphasig bedeutet, dass sie die Phase des Signals nicht verändern, sondern nur die Amplitude.
Folgende Signale habe ich mir erzeugt:
Hochpass (48 dB/Okt) bei:
- 10 Hz
- 20 Hz
- 30 Hz
- 40 Hz
- 50 Hz
- 60 Hz
- 80 Hz
- 120 Hz
- 150 Hz
So ein Hochpass sieht dann so aus:
PEQ (-10 dB, Q=4) bei:
- 20 Hz
- 30 Hz
- 40 Hz
- 50 Hz
- 60 Hz
- 80 Hz
- 120 Hz
- 150 Hz
Der PEQ hat dann diese Form:
Zunächst habe ich mich ohne Körperschallwandler durch die Varianten gehört. Das Ergebnis ist relativ eindeutig. Sobald der Bereich um 30 - 40 Hz fehlt, ist das Spürbare nahezu weg. Sowohl der Hochpass bei 50 Hz als auch die PEQs bei 30 und 40 Hz hatten den größten Einfluss auf den spürbaren "Kick". Je höher der Hochpass, desto geringer wurde es. Die Schüsse klangen dann nur noch nach "Peng", es fehlte jegliches Fundament.
Mit Körperschallwandler war das noch extremer. Hier macht der Frequenzbereich unter 20 Hz extrem viel aus. Der Hochpass bei 10 Hz schränkte die Taktilität schon etwas ein, bei 20 Hz dann drastisch. Bei 30 Hz spürte ich dann kaum noch etwas. Und es ist nicht so, dass da irgendein undefiniertes Gewabbel ist, sondern es handelt sich auch beim Körperschall um kurze "knackige" Impulse. In der Großaufnahme sieht die Wellenform im LFE bei den Schüssen wie folgt aus. Es handelt sich um einen Zeitbereich von ca. 1 s.
Ich für meinen Teil kann festhalten, dass der über die Luft spürbare Frequenzbereich der Schüsse eindeutig um 30 - 40 Hz liegt. Die typischen, höheren Kickbassfrequenzen sind dafür jedenfalls nicht verantwortlich. Und der Körperschallbereich liegt sogar noch tiefer, obwohl man von dort eigentlich keine "schnellen" Impulse erwarten würde. Wenn man den unteren Bereich per Shelving-Filter anhebt, verstärkt sich der taktile Anteil des Körperschallwandlers, es fühlt sich zum Glück auch nicht träger oder wabbeliger an. Das hatte ich auch getestet.
Phase
Weiterhin hat mich interessiert, wie stark Phasenverzerrungen (bzw. Gruppenlaufzeitverzerrungen) bei solchen Signalen hörbar ist. Das geht natürlich nur mit einem bereits linearphasigen System. Das ist bei mir in allen Kanälen gegeben, da ich die Phasenverzerrungen der Übergänge per FIR ausgleiche. Für den Phasentest habe ich Signale erzeugt, die mit einem Allpass gefaltet worden sind. Ein Allpass erzeugt die Phasenverzerrung wie ein Tief- oder Hochpass, ohne die Amplitude zu ändern.
Folgende Allpass-Varianten habe ich generiert:
- 80 Hz mit 24 dB/Okt
- 80 Hz mit 48 dB/Okt
- 30 Hz und 80 Hz mit jeweils 24 dB/Okt
So ein Allpass sieht dann so aus:
Der Phasengang von 1. entspricht der typischen Trennung unserer Vorstufen/AVRs. Variante 3. entspricht entweder einem 2-Wege-Bass oder der zusätzlichen Anbindung von Körperschallwandlern.
Zunächst habe ich wieder ohne Köperschallwandler gehört. Hier ist das Ergebnis nicht eindeutig. Ich konnte keine Verzögerung oder ähnliches hören. Das Signal wirkte etwas bassärmer, gerade bei den stärker phasendrehenden Varianten. Aber das war minimal und ich weiß nicht, ob ich das im Blindtest gehört hätte.
Ganz anders mit Körperschallwandler. Hier ist die leichte Verzögerung spürbar. Je stärker die Phasendrehung, desto stärker der Effekt. Der Impuls unterm Arsch kommt dann nicht mehr ganz auf den Punkt. Und bei einigen Schüssen wirkt es so, als ob das taktile Signal etwas langgezogener wäre. Das sind auch keine Welten, aber für mich deutlicher wahrnehmbar als der Unterschied im Hören. Die Erkenntnis bestärkt mich, dass es eine gute Entscheidung war, das ganze System linearphasig aufzusetzen.
Man kann sich natürlich zig Varianten von solchen Tests ausdenken. Wenn jemand noch interessante Ideen hat, was man systematisch untersuchen könnte, immer her damit.