Vorwort:
Liebes Forum,
wie schon in meinem Thread "Verstärkervergleich: Monacor IMG-Stageline STA-400D, STA-2000D, Crown XLS-1502" und in meiner User-Vorstellung erwähnt, beschäftige ich mich seit meiner Abizeit (mehr oder weniger durchgängig) mit dem Thema Stereowiedergabe und seit wenigen Jahren auch mit dem Thema Mehrkanalwiedergabe.
Wie so viele vor mir, habe ich die meiste Zeit damit verbracht Lautsprecher, Verstärker und Wiedergabegeräte und -medien zu testen und meine Kette dahingehend zu optimieren.
Erst seit relativ kurzer Zeit beschäftige ich mich nun auch endlich mit dem wichtigsten Teil dieser Wiedergabekette: der Raumakustik.
So habe ich zwischenzeitlich riesige Bassabsorber aus Steinwolle gebaut (mussten leider aus Platzgründen wieder weichen), die Decke abgehängt, einen Teppich verlegt, Vorhänge gezogen und allerlei Zeug in den Raum gestellt (ich gebe zu - das Zeug war zuerst da und dann kam die Anlage in das Zimmer). Trotzdem bin ich noch nicht richtig mit dem Klang zufrieden.
Mein Schlüsselerlebnis war vor wenigen Wochen, als ich meine Lautsprecher mitsamt einem einfachen (und günstigen) PA Digitalverstärker, der von einem Bluetooth-Adapter mit Musiksignalen vom Handy gespeist wurde auf meine Terrasse gestellt habe und ein paar Stücke klassischer aber auch populärer und rockiger Musik angespielt habe.
So muss das klingen!
Unglaublich wie entspannt man da extrem laut aufdrehen kann, ohne dass irgendwas anfängt zu nerven (z.B. komische Frequenzen einem das Trommelfell zersägen) - und unglaublich wie sauber der Bass plötzlich spielt.
Mein erster Gedanke:
Ok, ich stelle meine Anlage auf die Terrasse, spare mir unendlich viel Zeit, Geld und Aufwand und habe ab SOFORT für NULL EURO eine extrem gut klingende Wiedergabekette.
Mein zweiter Gedanke:
Verdammt... Nachbarn... Spaziergänger... Regen... Kälte... verdammt, verdammt, verdammt!
Da Umziehen bei der heutigen Immobilien-Preislage nicht in Frage kommt, bin ich nun finster entschlossen das Beste aus meiner jetzigen Wohnsituation herauszuholen.
Und noch finsterer entschlossen, hierfür sogar das bisher immer gemiedene MESSEN als Mittel zum Zweck zu gebrauchen.
Dass ich in meinem gegebenen Raum, mit dem ganzen Zeug (Rumpelkammer) und den fast quadratischen Maßen inkl. kleiner Ecke (Zugang ohne Türe zu dem Raum unter der Kellertreppe) annähernd das Erlebnis von meiner Terrasse wiederholen würde können, hat mir ein sehr geschätzter professioneller Raumakustiker bereits verneint. Aber ganz kampflos aufzugeben... hier stehe ich und kann nicht anders... ich muss es versuchen!
Ich bitte euch hiermit um Hilfe - ich bin was die Praxis angeht blutiger Anfänger und was die Theorie angeht... naja... so lala!
Hier also mein Thread, als Begleiter auf dem Weg zu einem Kellerkino/Rumpelkammerkino mit möglichst guter Akustik:
Gegeben:
- Kellerraum mit 6 x 6,3 x 2,25 m
- abgehängte Decke mit Molton - noch keine sonstigen Absorber an der Decke
- dünner, dichter Teppich
- allerhand Zeug an den Wänden - links und rechts vom Sitzplatz werden Molton-Vorhänge vor dieses Zeug gezogen
- Leinwand ist zum Runterklappen vor den Center und das Weinregal an der Front-Wand
- hinter dem Sitzplatz befindet sich ein Schwerlastregal mit Krempel und dem Beamer
- 6 Standlautsprecher (ALR Take)
- 1 Canton Subwoofer
- 2 selbstgebaute Subwoofer (noch in Entstehung)
- Yamaha 7.1 Verstärker mit externen Endstufen (eine 2Kanal CMOS Endstufe, eine 2Kanal Class-D Endstufe und eine 4 Kanal Class-D Endstufe)
- DSP von Behringer mit 3 Eingängen und 6 Ausgängen (DCX 2496)
- REW mit Messmikro miniDSP UMIK-1
mögliche Anschaffungen
- zusätzlicher DSP wenn es was hilft
- Absorber so viel wie sinnvoll ist
- weitere selbstgebaute Subwoofer inkl Endstufen (evtl. DBA (aber nur wenns sein muss))
- to be continued...
Mein Stand zum Thema Raumakustik:
Hier möchte ich noch kurz meinen aktuellen Stand bzgl. Raumakustik zum Besten geben - mit der Bitte um Zustimmung oder Ablehnung eurerseits - denn ohne ein gewisses Hintergrund-Verständnis befürchte ich nicht weiterzukommen. Ihr werdet merken, einige Aussagen beziehen sich auf Stereo-Wiedergabe - aber ich hoffe, was für Stereo-Wiedergabe gut ist, ist für Mehrkanalwiederhabe nicht schlecht...
...also:
Nach meinem Verständnis teilt sich die Raumakustik in zwei Bereiche, die schwimmend ineinander übergehen:
Der Tieftonbereich mit dem Hauptproblem der sogenannten "stehenden Wellen" oder auch "Raummoden", die ausschließlich durch die harten Begrenzungen des Hörraums hervorgerufen werden (und durch Krempel der in Regalen an den Wänden steht) und dem Mittel-Hochtonbereich mit dem Problem der Schallreflexionen und der dadurch hervorgerufenen Interferenzen - im Gegensatz zu tiefen Frequenzen kann eine hohe Schallwelle auch z.B. von einem PC-Bildschirm reflektiert werden - d.h. alle einigermaßen harten Gegenstände im Raum können hier reflektieren.
Tieftonbedämpfung ist schwierig, weil die Wellenlänge und damit die erforderliche Absorberdicke so groß ist
Die Eigenschaften des Raumes betreffend der Mittel-Hochtonwiedergabe in den Griff zu bekommen ist etwas einfacher (oder viel einfacher) als die der Tieftonwiedergabe in den Griff zu bekommen.
Ursache ist in erster Linie die jeweils "zu bekämpfende" / zu dämpfende Wellenlänge - diese ist bei tiefen Tönen so lang, dass es fast unmöglich ist entsprechend dicke Absorber an den jeweils optimalen Stellen anzubringen - nämlich an den Stellen, an denen sich die Luft mit großer Geschwindigkeit bewegt - das ist leider NICHT in Wandnähe sondern (im Fall der ersten Raummode) genau in der Mitte zwischen den benachbarten Wänden.
(<-- das hier bitte besonders kritisch kommentieren - bin mir da nämlich unsicher bzgl. Schalldruck und Schallschnelle...)
Desweiteren frage ich mich:
Dämpft man stehende Wellen, nimmt man doch nur Energie AUS dem System RAUS - d.h. man kann die Überhöhungen vielleicht runterbringen, aber kann man damit auch die Auslöschungen widerrufen - ich denke doch NICHT?!
D.h. der ausschließliche Vorteil von Bedämpfung im Tieftonbereich liegt darin, die Nachhallzeit zu verringern mit all den positiven Auswirkungen auf Dynamik etc.
Mittel-Hochtonbedämpfung ist technisch möglich, muss aber gleichmäßig erfolgen
Hohe Töne haben erstens die Eigenschaft, dass sie relativ kurzwellig sind - das heißt, man kann sie mit relativ kleinen Absorbern bedämpfen- und zweitens verhalten sich hohe Töne eher wie Billardkugeln - sie werden annähernd im selben Winkel reflektiert, in dem sie auf einer Oberfläche eintreffen.
Der Vorteil ist:
Trifft die reflektierte Welle gar nicht oder erst sehr sehr spät (Thema frühe/späte Reflektionen) auf das Ohr, trübt es den Musikgenuss nicht, da das Ohr / Gehirn dies als "nicht zum Schallereignis" gehörend verwirft.
Selbstverständlich kann aber trotzdem eine "spät" eintreffende hohe Schallwelle am Ohr mit einer gleichzeitig als Direktschall dort ankommende Welle interferieren und entweder deren Lautstärke verringern oder deutlich erhöhen.
Das sind dann die Momente, in denen es einem das Trommelfell zersägt und man dreht leiser, obwohl das eigentliche "Nutzsignal" gar nicht sooo laut ist. Man beraubt sich also unnötigerweise der Dynamik.
Dynamik ist auch so eine SAche, die extrem wichtig für Musikgenuss ist.
Die Dynamik leidet wie eben angesprochen an den Reflektionen und an den stehenden Wellen aber auch an der Nachhallzeit.
Ein Raum mit hoher Nachhallzeit hat keine gute Dynamik, da es sehr lange dauert, bis ein z.B. 90 dB lautes Schallereignis auf unhörbare 30 dB abgesunken ist.
Nachhallzeit und die Menge an Mittel-Hochtonreflektionen und das Ausmaß an stehenden Wellen beeinflussen sich gegenseitig.
Hat man z.B. einen Raum stark gedämpft (z.B. viele Absorber an den Wänden/Decke), wird die Nachhallzeit im Mittel-Hochtonbereich sehr niedrig sein.
Und hat man es hinbekommen, den Raum für all diese Frequenzen gleichmäßig zu dämpfen, wird die Mittel-Hochtonwiedergabe sehr, sehr gut sein mit toller Dynamik, super Stereobühne (für MEhrkanal reicht meine Vorstellungskraft nicht - gerne kommentieren!) und sehr ausgewogener (Stichwort: linearer) Wiedergabe.
Dummerweise helfen diese ganzen (normal großen) Absorber NICHT gegen die Raummoden mit Wellenlängen im Meterbereich.
D.h. ein solcher Raum würde dröhnig klingen, weil die tiefen Frequenzen nicht zu den hohen Frequenzen passen.
Hat man mit sehr dünnen Absorbern nur den Hochton bedämpft, klingt der Raum dumpf, weil die Mitten nicht zu den Höhen passen - im schlimmsten Fall hat man dann einen dumpfen und dröhnigen Klang. (Das habe ich schon oft von Heimkinos gelesen, die alle harten Flächen mit Molton überzogen haben und dadurch eine hohe Hochtondämpfung erreicht haben.)
Zusammenfassung:
Ich glaube, für beste Wiedergabe ist wichtig:
- eine hohe Dynamik und
- ein ausgewogener Frequenzverlauf.
Dazu ist es notwendig - messtechnisch gesprochen - die Nachhallzeit unter einen bestimmten Wert zu bekommen und eine möglichst lineare Amplitude über der Frequenz zu erhalten.
Beides kann man mit der Messsoftware REW und z.B. dem USB-Messmikrofon UMIK-1 von miniDSP, mittels eines an die Anlage angeschlossenen PCs/MACs objektiv ermitteln.
Ich bin sehr gespannt, wie hoch die Korrelation von objektiver Messtechnik zu subjektivem Höreindruck hier in meinem Fall sein wird.
Zumindest erwarte ich mir eine hörbare Verbesserung, denn im Moment ist meine Raumakustik noch sehr rudimentär "optimiert".
Soviel zu meinem Eröffnungspost.
Im Folgenden antworte ich auf Fragen/Kommentare und belästige euch mit Messergebnissen von REW.
Vielen Dank jetzt schon an alle, die den Klang in meinem / unseren (Familie) Kellerkino weiterbringen!!!
Alex