Einleitung
Da es noch kein Thema gibt, dass das Problem einheitlich betrachtet und diskutiert, mache ich einfach mal eins auf. Es geht darum, dass das Bild unabhängig vom Seitenverhältnis eine konstante Höhe besitzt. Also so, wie es im großen Kino der Fall ist. Dort geht bei Cinemascope der Vorhang auf und das Bild wird breiter. Das wird im englischsprachigem Raum Constant Image Height (CIH) genannt. Hier ist ein Beispiel für verschiedene Seitenverhältnisse ausgehend von einer 2,4:1-Leinwand:
Leider liegt das Bild so nicht auf den digitalen Medien vor, sondern es besitzt eine konstante Breite. Das Bild hat auf der Blu-ray und UHD immer ein Seitenverhältnis von 1,78:1, so dass die breiteren Formate nicht horizontal größer sind, sondern vertikal kleiner. Das ist übrigens auch beim digitalen Kino so, nur hier eben in ca. 1,9:1. Die höheren Seitenverhältnisse nutzen also auch dort weniger Pixel.
Das Bild in dieser Form auf eine 1,78:1-Leinwand zu projizieren, nennt sich Constant Image Width (CIW). Das sieht dann so aus:
Die genutzte Bildfläche bei CIW steigt somit bis 1,78:1 und sinkt darüber stetig. Bei CIH wird in der Regel eine Leinwand im 2,4:1-Format benutzt. Somit wird das Maximum, also die maximale Flächennutzung, hin zu 2,4:1 geschoben. Die Bildfläche steigt immer bis zum nativen Format der Leinwand und sinkt danach wieder. Hier ist das als Graph im vergleich zu CIH aufgetragen.
Und hier der direkte Vergleich zwischen CIH und CIW. Die breiten Formate sind bei CIW also bis zu 45 % kleiner als sie sein sollten!
Nun gibt es verschiedene technische Möglichkeiten, CIH auf einer 2,4:1-Leinwand umzusetzen. Ich möchte die gängigsten hier aufzeigen und gegenüberstellen.
1. Optischer Zoom
Hierbei wird jedes Format zwischen 1,78:1 und 2,4:1 so weit vergrößert, dass sich die schwarzen Balken außerhalb der Leinwand befinden. Das heißt, jedes Format benötigt idealerweise eine eigene Einstellung im Lens Memory.
Vorteile:
- Alle Formate < 1,78:1 benutzen die volle Auflösung
- Alle Formate < 1,78:1 benutzen den gesamten Lichtstrom
Nachteile:
- Für > 1,78:1 sinkt die Pixeldichte stetig (auf bis zu 74 %)
- Für > 1,78:1 sinkt die Leuchtdichte stetig (auf bis zu 55 %)
2. Digitaler Zoom
Hierbei wird der Zoom konstant auf 2,4:1 eingestellt und nur ein Teil der Auflösung genutzt, nämlich der, der sich innerhalb der schwarzen Balken von 2,4:1 befindet. Alle kleineren Formate werden digital verkleinert, und zwar so, dass die schwarzen Balken gerade abgeschnitten werden. Sie füllen damit die Höhe exakt aus. Das kann z.B. mit einem Lumagen, Envy, madVR oder per sonstiger Automatisierung gelöst werden.
Vorteile:
- Die Leuchtdichte ist für alle Formate konstant
- Die Pixeldichte ist für alle Formate konstant
Nachteile:
- Die Leuchtdichte beträgt für < 1,78:1 nur 55 %
- Für < 2,4:1 sinkt die Auflösung stetig (auf bis zu 55 % bei 1,78:1)
- Es wird immer nur 74 % des Panels genutzt
3. Anamorphot + digitaler Zoom
Hier wird eine Vorsatzlinse benutzt, die das Bild in eine Dimension verzerrt. Das Bild wird zunächst auf digitalem Wege vertikal um den Faktor 1,33 gestreckt (bei 1,9:1-Panels um den Faktor 1,25). Somit werden bei 2,4:1 die schwarzen Balken abgeschnitten und der Bildinhalt füllt das volle Panel. Der Anamorphot gleicht das wieder aus, indem er das Bild horizontal mit demselben Faktor streckt oder vertikal staucht. Wie auch bei der Variante mit dem digitalen Zoom werden auch hier alle kleineren Formate digital verkleinert, so dass sie die Leinwandhöhe ausfüllen.
Vorteile:
- Die Leuchtdichte ist für alle Formate konstant
- Die Pixeldichte ist für alle Formate konstant
- 2,4:1 nutzt die volle Auflösung
- 2,4:1 nutzt den gesamten Lichtstrom
Nachteile:
- Die Leuchtdichte beträgt für < 1,78:1 nur 74 %
- Für < 2,4:1 sinkt die Auflösung stetig (auf bis zu 74 % bei 1,78:1)
- Der Anamorphot kann Artefakte erzeugen (geometrische Verzerrungen, Chromatische Aberration, Unschärfe usw.)
- Der Anamorphot kostet Geld
Hier eine Übersicht über Anamorphoten für Projektoren:
Anamorphot | Verzerrungsfaktor | Strecken/stauchen | Funktionsprinzip | Größe | Durchmesser (mm) | Verfügbarkeit | Anmerkung |
ISCO II | 1,33 | strecken | zylindrisch | klein | 128 | gebraucht | |
ISCO III S | 1,33 | strecken | zylindrisch | mittel | 122 | gebraucht | |
ISCO III L | 1,33 | strecken | zylindrisch | groß | 168 | gebraucht | wurde auch als "Runco WideVision Cinema Grade Anamorphic Lens" vertrieben |
ISCO III XL | 1,33 | strecken | zylindrisch | groß | 168 | gebraucht | optisch wie IIIL, aber Gehäuselänge bleibt konstant mit Focus |
ISCO DLP Cinema | 1,25, 1,5 & 1,9 | strecken | zylindrisch | sehr groß | 192 | gebraucht | 1,5/1,9 wurden mit 4:3-Panels eingesetzt |
Runco WideVision "4:3 and 5:4 to 16:9" (ISCO) | 1,42 | strecken | zylindrisch | sehr groß | 192 | gebraucht | ähnlich zu ISCO DLP Cinema 1.5. Wurde mit 4:3-Panel eingesetzt |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar | 1,33, 1,42, 1,5 & 1,9 | strecken | zylindrisch | sehr klein | 102 | ? | 1,42/1,5/1,9 wurden mit 4:3-Panels eingesetzt |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar 1.33x LE | 1,33 | strecken | zylindrisch | klein | 122 | ? | |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar 1.33x M | 1,33 | strecken | zylindrisch | mittel | 130 | ? | |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar 1.33x XL | 1,33 | strecken | zylindrisch | groß | 168 | ? | |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar 1.33x MF Premiere | 1,33 | strecken | zylindrisch | sehr groß | 178 | ? | |
Schneider-Kreuznach Cine-Digitar Anamorphic 1.25 (DLP Cinema) | 1,25 | strecken | zylindrisch | sehr groß | 188 | ? | |
Prismasonic Cinomorph Prismatic | 1 - 1,5 | strecken | Prisma | groß | - | neu | |
Prismasonic Cinomorph Cylindrical | 1,33 | strecken | zylindrisch | groß | - | neu | |
Panamorph UHD480 | 1,33? | strecken | Prisma | ? | - | gebraucht | |
Panamorph Paladin DCR | gibt es in beiden Varianten | stauchen | Prisma | groß | - | neu | |
XEIT Crystalmorphic 5E1 | 1,33 | strecken | zylindrisch | groß | ca. 160 | ? | |
Vormaxlens Vormascope | 1,3 | strecken | zylindrisch | klein | - | neu | |
CAVX Aussiemorphic MK5 | 1,33 | strecken | zylindrisch | mittel | 225 | neu |
Hier mal die technischen Daten der berüchtigten "Männerlinse":
Geeignete Verzerrungfaktoren, um 2,4:1 (gerundet) auf der Leinwand zu erreichen:
Seitenverhältnis Projektor | Verzerrungsfaktor Anamorphot |
1,25 | 1,9 |
1,6 | 1,5 |
1,78 | 1,33 |
1,89 | 1,25 |
Seitenverhältnisse
Hier ist eine Übersicht über Seitenverhältnisse und ihre geschätzte Verbreitung in Bezug auf Kinofilme. Die aus meiner Sicht relevantesten habe ich Grün markiert. Mindestens für diese sollte man eine Maskierung vorsehen.
Seitenverhältnis | Häufigkeit | Prognose für die Zukunft |
1,19:1 | extrem selten | keine |
1,33:1 | sehr selten | keine |
1,37:1 | extrem selten | keine |
1,66:1 | selten | keine |
1,78:1 | sehr häufig | weiterhin signifikant vertreten |
1,85:1 | sehr häufig | weiterhin signifikant vertreten |
1,9:1 | sehr selten | zunehmend (IMAX) |
2:1 | selten | zunehmende Verbreitung (durch Streaming) |
2,2:1 | sehr selten | wird noch sporadisch verwendet |
2,35:1 | sehr häufig | abnehmend, da durch 2,4:1 ersetzt |
2,4:1 | sehr häufig | zunehmend |
2,55:1 | sehr selten | keine |
2,76:1 | sehr selten | keine |
Sonstiges
Natürlich kann ein Anamorphot für kleinere Formate aus dem Lichtweg gefahren werden. Dann verliert man aber den Vorteil der konstanten Leuchtdichte. Der ist aus meiner Sicht sehr groß und macht 2,4:1 erst richtig sehenswert. Das breite Format wird dann im Vergleich zu 1,78:1 nicht mehr "abgewertet", weil es dunkler ist. Das ist einfach ein psychologischer Effekt.
Um mal zu illustrieren, wie viel ein Unterschied in der Leuchtdichte ausmacht, habe ich mal die Variante mit dem optischen Zoom simuliert. Das 2,4:1-Bild hat dann nur noch 55 % der Leuchtdichte (sofern das Objektiv des Projektors das nicht teilweise ausgleicht).
Der Anamorphot stellt da einen guten Kompromiss dar. Der Verlust an Leuchtdichte für 1,78:1 beträgt im Gegensatz zu Variante 2 nur 26 %, dafür ist sie für alle Formate konstant. Genauso wie die Pixeldichte. Das Bild wirkt also immer gleich bei gleichzeitig minimalem Verlust.
Ganz unabhängig von der gewählten Lösung, CIH umzusetzen, sei als weiterer Vorteil noch die relativ einfache Maskierung genannt. Die Seiten zu maskieren ist in der Regel einfacher als die horizontalen Kanten, da die Maskierung kleiner ausfallen kann oder sogar mit Vorhängen gelöst wird (wie im Kino).
Übrigens noch etwas: da das Medium und auch das Intermediate immer eine konstante Breite besitzen, kommt es bei CIH zu dem Effekt, dass schmalere Formate höher aufgelöst erscheinen. Der Grund ist einfach der, dass sie kleiner dargestellt werden und somit pro Fläche mehr Details besitzen. Das gilt auch dann noch, wenn sie mit Anamorphot runterskaliert werden. Der Schärfeeindruck bleibt häufig höher als bei den breiteren Formaten. Trotzdem geht aus meiner Sicht nichts über ein großes, breites Bild. Das erzeugt einfach einen ganz anderen immersiven Eindruck und ist für mich einfach "Kino".
So, Feuer frei für beliebige Diskussionen rund um das Thema CIH!