Stilmittel vs Bildqualität - Eine Grundsatzdiskussion

  • Unschärfe und Rauschen sind objektive Qualitätsmängel.

    Wenn das Ziel in jedem Falle ein rauschfreies und absolut scharfes Bild wäre, dann wären es Qualitätsmängel, ja.

    Das Ziel legt aber der Regisseur fest, und das kann ein ganz anderes sein. (um Mal wieder zu Deinen beliebten Auto-Vergleichen zu kommen: die Beschleunigung zweier Fahrzeuge ist objektiv messbar, ja. Je nach Einsatzzweck (Ziel) und Entwicklungsvorgaben ist das langsamer beschleunigende Auto aber nicht automatisch schlechter und dies automatisch ein Mangel.). Ich gehe davon aus dass es jedem halbwegs begabten Kameramann möglich ist ein scharfes und rauschfreies Bild aufnehmen zu können. Wenn es das am Ende nicht ist, dann gehe ich davon aus dass es so sein soll wie es ist.

    Das mag dem Einzelnen dann nicht gefallen, das wiederum ist aber dann sehr subjektiv.

  • Sind paar Striche, die ein Teenager auf eine LW kritzelt 100.000te Euro wert?


    Die genauere und somit bessere Abbildung der Person wäre ein Foto mit einer aktuellen Kamera.

    das war ja meine Frage an dich- du hast doch nem 50PS-Auto die Chance auf höhere Weihen abgesprochen. :zwinker2:

    Also müsste ja Guernica auch zwingend besser als die Mona Lisa sein..


    Imo ist die ganze Diskussion simpel - Kunst ist nichts, dass man mit Zollstock und Schablone (be)werten kann.

    Sieht man aber in einem Film ein reines Konsumprodukt, gelten auch die diesbezüglichen Regeln- und die Stitung Warentest oder ein Gazettenschreiber dürfen ein 'sehr gut' oder 'mangelhaft' vergeben.

  • Meinem Geschmack nach ist eine hervorragende technische Umsetzung in Sachen Sound und Optik die Kirsche auf der Guter-Film-Torte. Filmkorn, Unschärfen und nicht so toller Ton machen einen guten Film nicht deutlich schlechter.


    Andersrum wird für mich aber ein Schuh draus. Schlechte bis Mittelmäßige Filme profitieren für mich ungemein von einer technisch hervorragenden Umsetzung. So werden für mich beispielsweise Kong vs. Godzilla oder Jurassic World 3 deutlich genießbarer.

  • Da bin ich zu 100% deiner Meinung..

    Ein Film, der zu 95% im Dunkeln spielt, geht mir zB gründlich auf die Nerven - auch wenn es die Story letztlich so ergibt.

    Das ist aber für mich eher ne persönliche Befindlichkeit, als ein objektives Qualitätskriterium.

  • du hast doch nem 50PS-Auto die Chance auf höhere Weihen abgesprochen.

    Ja, ich kann ein langsameres Auto in den Dynamikwertungen nicht eine bessere Note geben, als ein schnelleres Fahrzeug.


    Das Ziel legt aber der Regisseur fest, und das kann ein ganz anderes sein. (um Mal wieder zu Deinen beliebten Auto-Vergleichen zu kommen: die Beschleunigung zweier Fahrzeuge ist objektiv messbar, ja. Je nach Einsatzzweck (Ziel) und Entwicklungsvorgaben ist das langsamer beschleunigende Auto aber nicht automatisch schlechter und dies automatisch ein Mangel.).

    Das ist eben der Unterschied, ich bewerte objektiv:


    Bei der Beschleunigungsmessung bewerte ich die Beschleunigung, bei der Rundenzeit die gemessene Zeit. Weder den Verbrauch, das Kofferraumvolumen oder die Qualität der Nähte des Leders.

    Dazu gibt es eigene Bewertungen.


    Bei der Bildbewertung bewerte ich das Bild und nicht den Film oder Regisseur. Das geht in die Filmbewertung.


    Du würdest also Blair Witch Projekt eine 100% Bildbewertung geben.

    OK, aber wir werden hier nicht auf einen Nenner kommen, sorry.

  • Das ist eben der Unterschied, ich bewerte objektiv:

    Du bewertest objektiv, nach deinen subjektiven Maßstäben, wie ein Bild auszusehen hat.


    Es sind eben 2 komplett andere Maßstäbe, nach denen hier bewertet wird. So kann man nicht auf einen Nenner kommen.

    Man kann aber die jeweiligen Bewertungen nachvollziehen (und gedanklich ab- und aufwerten), wenn man die entsprechenden wörtlichen Ausführungen beachtet.

  • Das ist eben der Unterschied, ich bewerte objektiv:


    Bei der Beschleunigungsmessung bewerte ich die Beschleunigung, bei der Rundenzeit die gemessene Zeit. Weder den Verbrauch, das Kofferraumvolumen oder die Qualität der Nähte des Leders.

    Dazu gibt es eigene Bewertungen.

    Genau. Und Beschleunigung und Rundenzeiten kannst Du mit der Stoppuhr messen. Darum geht es.

    Ich habe auch noch nie erlebt, dass nach einem 100m-Lauf eine Diskussion darüber ausbrach ob denn jetzt die benötigte Zeit das richtige Mittel wäre, um den schnelleren Läufer herauszufinden.

    Bei der Bildbewertung bewerte ich das Bild und nicht den Film oder Regisseur. Das geht in die Filmbewertung.

    Bei der Bildbewertung versuchst Du aber viele verschiedene Einzelaspekte in einer einzigen Zahl festzuhalten. Das halte ich per se schon mal für ambitioniert.

    Aussichtslos wird es aber, wenn dies dann versucht wird einer Kunstform überzustülpen und das dann auch noch objektiv werden soll.

    Du würdest also Blair Witch Projekt eine 100% Bildbewertung geben.

    Ich denke weiter oben sollte schon klar geworden sein, dass ich mit Zahlenbewertungen für Filme (eine Kunstform) so generell ein Problem habe.

    Für mich persönlich gibt es max. einen Daumen hoch, Daumen runter und Daumen quer. So bewerten meine Frau und ich z.B. Rezepte, die wir nachkochen.

    Diese Bewertung ist aber rein für mich (oder für uns) gedacht.

    Blair Witch Project war quasi der Beginn eines neuen Stilmittels, der Wackelkamera. Und die Bildführung sollte den Eindruck vermitteln, dass es mit einer Consumer-Handkamera (wackelig, schlechte Aufnahmequalität) aufgenommen wurde.

    Ich denke dieses Ziel wurde zu 100% erreicht. Mag ich das? Nein, ist auf einer größeren Leinwand absolut ungenießbar.

    Ich werde von Wackelkamera seekrank. Das mag meiner Leinwandgröße geschuldet sein. Ich vermeide es auch unsere Familienurlaubsfilme im Kino zu schauen, dafür gehen wir immer in´s Wohnzimmer.

    Würde ich Wackelkamera als schlechte Bildqualität bewerten? Nein, würde ich nicht. Ich würde aber im Text darauf hinweisen, wenn ein Film zu einem großen Teil aus Wackelkamera-Aufnahmen besteht und dass mir das nicht gefällt.

    OK, aber wir werden hier nicht auf einen Nenner kommen, sorry.

    Das denke ich auch. Muss ja auch nicht. Ich denke wir haben einfach unterschiedliche Vorstellungen wie wir Dinge im Allgemeinen bewerten und Filme im Speziellen.

  • Einige Stilmittel finde ich jedoch grundsätzlich störend:

    Meine Bottom - 3 sind Unschärfe, Wackelkamera und Formatwechsel.

    Für mich sind solche Effekte gleichbedeutend mit Abwertungen der Bildqualität.

    Ob die Produzenten das so gewollt haben ist für mich dabei irrelevant, für mich zählt da einzig mein eigenes Urteil.

    Wenn ihr euch mal vom Punkt der Bildschärfe weg bewegt und beispielsweise euch den Formatwechsel vornehmt, dann bewegt ihr euch doch komplett im subjektiven Bereich.


    Aries schrieb im einleitenden Beitrag, dass das für ihn gleichbedeutend mit einer Abwertung in der Bildqualität ist. Diese Formatwechsel (die mir auch auf den Senkel gehen!) sind aber absolut kein Mangel in der Bildqualität, sondern ein stilistisches Mittel des Regisseurs.


    Wie wollt ihr das denn objektiv bewerten? Wenn es euch (so wie mich ja auch) stört, dann ist das unsere subjektive Meinung zu dem Thema - objektiv gesehen ist das aber ganz bestimmt kein Mangel in der Bildqualität.

    Wenn ich mir die Wackelkamera von "Blair Witch Project" von 1999 anschaue, dann ging mir das Gewackelt damals schon auf die Nerven. Trotzdem kann ich die Bildqualität nicht mit vorgeschobenen "objektiven" Aussagen bemängeln, nur weil mir subjektiv gesehen das Gewackel auf die Nerven geht. Der Regisseur wollte es so, er wollte es für Bewegung, Stress, Nervenkitzel etc. einsetzen und hat daher zu dieser Kameraführung gegriffen. Ob es mir gefällt oder nicht hat nichts mit der objektiven Bewertung der Bildqualität zu tun - es ist kein Mangel, sondern ein bewußt eingesetzter Effekt.

  • Wie Holger weiter oben schon schrieb: natürlich kann ich in der Malerei realistische Gemälde den alten Meistern oder abstrakten Gemälden den Vorzug geben.

    Der Vergleich Film - Malerei passt für mich überhaupt nicht!

    Wenn schon dann kann man Film mit Fotografie vergleichen, aber auch das passt nur eingeschränkt.


    Im übrigen:

    Dem Argument "es ist Kunst und deshalb ist ein Urteil darüber nur eine subjektive Geschmacksfrage" liegt ein Denkfehler zugrunde.


    Stilmittel sind nicht Selbstzweck.

    Vielmehr sind Stilmittel "nur" Mittel zum übergeordneten Zweck einen bestimmten Effekt beim Zuschauer zu bewirken, das ergibt sich ja schon aus dem Wort "Stilmittel".


    Z.B. bei dem Ausgangspunkt der Diskussion "Babylon" ist es eine plausible Annahme, dass eine Stimmung Golden Twenties erzeugt werden soll.

    Für mich funktioniert das mit Farb-Grading hervorragend, in diesem Fall wären z.B. sepia-Töne bei Innenaufnahmen zielführend.

    Ebenso wäre eine für mich eine besonders hohe Bildqualität hilfreich um den Prunk und die Opulenz der Zeit besonders eindrücklich zu zeigen.

    Ein unscharfes Bild ist jedoch nicht nur generell störend und Filmspass vermindernd, gerade in diesem Fall bewirkt es für mich das genaue Gegenteil des eigentlich plausibel anzunehmenden Effekts!


    Also ist bei dem Gebrauch von Stilmitteln zu hinterfragen, ob sie richtig eingesetzt wurden:

    - Dienlich um die gewünschte Stimmung zu erzeugen und

    - Nicht über Gebühr nachteilig für den Filmgenuss


    Wenn das jedoch nicht der Fall ist dann sind die verwendeten Stilmittel sehr wohl zu kritisieren.

    Nicht jede Verwendung eines Stilmittels qualifiziert sich automatisch zur Kunst!

  • Nicht jede Verwendung eines Stilmittels qualifiziert sich automatisch zur Kunst!

    Nein, ein Stilmittel ist keine Kunst. Ein Film (auf den dieses Stilmittel angewendet wird) aber sehr wohl.


    Du beginnst Deine Ausführung absolut nachvollziehbar mit mehrfachem Gebrauch von "für mich".

    Dann leitest Du daraus aber die allgemeingültige Folgerung ab "Wenn das jedoch nicht der Fall ist dann sind die verwendeten Stilmittel sehr wohl zu kritisieren.". Das passt für mich nicht zusammen.

  • Genau. Und Beschleunigung und Rundenzeiten kannst Du mit der Stoppuhr messen. Darum geht es.

    Ich habe auch noch nie erlebt, dass nach einem 100m-Lauf eine Diskussion darüber ausbrach ob denn jetzt die benötigte Zeit das richtige Mittel wäre, um den schnelleren Läufer herauszufinden.

    Auch die Bildschärfe kann man messen.

    Bei der Bildbewertung versuchst Du aber viele verschiedene Einzelaspekte in einer einzigen Zahl festzuhalten.

    Damit hab nicht ich begonnen. Ist halt ein übliches Prozedere hier in den Filmbewertungen.

  • Du beginnst Deine Ausführung absolut nachvollziehbar mit mehrfachem Gebrauch von "für mich".

    Dann leitest Du daraus aber die allgemeingültige Folgerung ab "Wenn das jedoch nicht der Fall ist dann sind die verwendeten Stilmittel sehr wohl zu kritisieren.". Das passt für mich nicht zusammen.

    Also dann eine Frage an alle, die das anders sehen (damit ich Euch besser verstehen lerne).

    Für diesen konkreten Fall, einen Film über die Golden Twenties.


    Welche Wirkung wird bei Euch durch ein weniger scharfes Bild erzielt? (nicht eine Szene sondern über längere Passagen)

    Wird dadurch eine Stimmung erzeugt, die Ihr zum Thema des Films passend findet?

    Erhöht das weniger scharfe Bild für Euch den Filmgenuss?


    Ich bitte um konkrete Antworten und nicht "das ist halt so und dann hinterfrage ich das nicht".

  • Das Einzige, was wirklich objektiv bewertet werden könnte, wäre die Qualität des Transfers. Und genau das können wir nicht, weil wir das Original nicht kennen. Also bleibt es in der Regel bei einer subjektiven Gesamtbewertung, die alle Aspekte (vor allem die Künstlerischen) in einer beliebigen Zahl verwurstet. Das ist ja auch nicht verwerflich und häufig trotzdem hilfreich, es ist nur eben nicht objektiv.

  • Auch die Bildschärfe kann man messen.

    Klar, und wenn das Bewertungskriterium "ein möglichst scharfes Bild" lautet, dann ist das auch absolut hilfreich. Z.B. beim Vergleich der technischen Fähigkeiten verschiedener Projektoren.

    Und bei einem Bewerbungs-Foto würde auch für mich Unschärfe zu einer Abwertung führen.

    Bei einem Film geht es aber nicht um die 100% naturgetreue Abbildung der Realität.

  • Im Prinzip haben wir 2 Lager:


    Auf der einen Seite Diejenigen, die Mängel der Bildqualität, welche früher aufgrund der vorhandenen Technik auftraten, heute als nostalgisches Stilmittel eingesetzt, als Maßstab für die Bildbewertung ein beziehen.


    Auf der anderen Seite Diejenigen, die das Bild unabhängig von Stilmitteln, bewerten.



    Die Frage ist also, was beziehen wir in die Bildbewertung ein:

    Die Kompensation der Bilder, die Kunst des Filmes, das Bild, das uns der Regisseur zeigen möchte.

    oder

    die technische Bildqualität der Scheibe?


    Bei ersterem könnten wir die BR und UHD Bewertungen zusammen legen.


    Dito beim Ton.

  • Das war doch gar nicht die Aussage, siehe z.B. mein erster Beitrag.

    Meine Antwort ging ja in Richtung Mankra.

    Aber Dein Einstiegspost ist doch an Subjektivität kaum noch zu überbieten. Du beschreibst genau was Dir ganz persönlich an einer (ich nenne es mal so) Bildkomposition gefällt oder missfällt.

    Und wenn dort gewisse Stilmittel angewendet werden, dann führen Sie für Dich automatisch zur Abwertung. Egal ob sie so gewollt sind oder nicht. Noch subjektiver geht es ja kaum. :)

    Ist aber ja auch OK, FoLLgoTT hat es eben sehr schön zus.gefasst wie ich finde:

    Das ist ja auch nicht verwerflich und häufig trotzdem hilfreich, es ist nur eben nicht objektiv.

  • wenn dort gewisse Stilmittel angewendet werden, dann führen Sie für Dich automatisch zur Abwertung. Egal ob sie so gewollt sind oder nicht. Noch subjektiver geht es ja kaum. :)


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