Kalibrierung: Alternative zur aufwändigen 3D-LUT

  • Wie hier schon mal beschrieben, gibt es zwei Arten, Gamma und Gamut gleichzeitig zu korrigieren. Meist messen wir lange und aufwändig und erzeugen am Ende eine 3D-LUT, die alles in einem Rutsch korrigiert. Die andere Variante ist, den Gamut per Matrix zu korrigieren und das Gamma über 3 x 1D-LUTs. Das ist das, was JVCs AutoCAL macht (soweit ich weiß). Beides hat Vor- und Nachteile. Letzteres funktioniert nur, wenn sich der Farbraum in sich linear verhält. Das ist im hellen Modus ohne CMS zum Glück der Fall. Leider kann AutoCAL diesen Modus nicht kalibrieren. Das wollen wir aber, um den Lichtstrom möglichst effektiv zu nutzen. Ziel dieses Themas ist also: heller Modus mit Gamut- und Gammakorrektur.


    Ich bin letztens zufällig auf ProjCalGUI (PCG) gestoßen, mit dem man aus einer Graustufenmessung eine korrigierende 1D-LUT erzeugen und diese direkt in den Custom-Gamma-Speicher im JVC hochladen kann. Damit bekommt man Gamma selbst im hellen Modus kalibriert. Und man kann, eine hohe Empfindlichkeit vorausgesetzt (z.B. per Segelmessung), auch die unteren Stufen (<10 %) korrigieren. Wenn nötig, sogar per Hand (in Textdatei oder Editor).

    Fehlt bis dahin also nur noch eine Matrix, die den Gamut konvertiert. Da kommt DisplayCAL ins Spiel. Mitgeliefert wird das Tool "Synthetic Profile Creator", mit dem man für den nativen Gamut seines Projektors ein ICC-Profil erstellen kann. Man gibt einfach die Koordinaten der Primärfarben ein und speichert das Profil. Dann erzeugt man mit dem "3DLUT Maker" (ebenfalls von DisplayCAL) eine 3D-LUT für BT.709/BT.2020, die nur den Gamut konvertiert und Gamma unangetastet lässt. Da sich der Gamut in der Regel kaum über die Lebenszeit ändert (zumindest nicht bei JVC), muss man diese 3D-LUT nicht regelmäßig erneuern. Man könnte sie sogar theoretisch einmal für jedes Modell bereitstellen. Die regelmäßige Kalibrierung besteht dann nur noch aus dem Gamma-Teil über HCFR. Und der geht relativ schnell. Quasi eine Art AutoCAL mit ein paar mehr manuellen Schritten.


    Vorteile:

    • Gamma im hellen Modus wird direkt im Projektor kalibriert
    • <10 % kann korrigiert werden
      • sogar manuell, wenn gewünscht
    • Regelmäßig nur Graustufenmessung notwendig
    • Keine 3D-LUT, die aufwändig verifiziert werden muss (->Banding)


    Bei meinem NP5 hat mich immer gestört, dass er untenrum (<5 %) ein wenig absäuft, weil Gamma dort zu hoch war und von DisplayCAL nicht korrigiert wurde. Mit einer Segelmessung (Minileinwand nah am Projektor) und 32 Messpunkten konnte ich das mit dem Verfahren ausmerzen und benötige meinen VideoEqualizer für die manuelle Korrektur nicht mehr. madVR hat zwei neue 3D-LUTs bekommen, die nur den Gamut korrigieren. Das Ergebnis habe ich dann per Messung verifiziert. Es sah soweit gut aus.


    Ich denke nicht, dass das Interesse an dem Verfahren groß sein wird, daher habe ich vorerst auf eine Anleitung verzichtet. Wenn Interesse besteht, kann ich die nachliefern. :)

  • Auch wenn das Interesse, wie erwartet, eher gering ist, nerve ich euch mit ein paar Messungen. :zwinker2:


    Heute habe ich noch mal den Gamut gemessen und das Kolorimeter vorher mit dem Spektralphotometer profiliert.


    Hier sieht man den nativen Gamut, der sich, wie gesagt, mit ausgeschaltetem CMS relativ linear verhält.


    NP5 nativ:




    Synthetische 3D-LUT (Matrix) für BT.709:


    Synthetische 3D-LUT (Matrix) für DCI-P3:




    Synthetische 3D-LUT (Matrix) für BT.2020:



    Volle 3D-LUT (DisplayCAL):



    Wie man sieht, weicht der Farbort von der Sekundärfarbe Magenta in den größeren Farbräumen vom Soll ab. Hier muss sich die Kalibrierung zwischen Farbort und Luminanz entscheiden. Beides gleichzeitig kann nicht angepasst werden, denn um den Farbort von Magenta zu korrigieren, muss die Luminanz von Blau verringert werden. Das kann die Matrixmethode nicht. Dafür benötigt man eine echte 3D-LUT. Das Delta-E ist aber bei beiden Varianten nahezu identisch. Das heißt, Magenta ist bei beiden ziemlich daneben. Bei der einen Variante liegt der Fehler eher beim Farbort, bei der anderen eher bei der Luminanz. Was besser oder weniger schlecht aussieht, kann ich bisher nicht beurteilen. Vermutlich sind wir da in einem Bereich der Kompromisse angelangt. Einen Farbraum verlustbehaftet auf einen kleineren abzubilden, ist ja immer ein Kompromiss.


    Hier noch der Vergleich von Magenta im Detail:


    Delta-E Matrixmethode:



    Delta-E 3D-LUT:


    Die Sättigungsverläufe wurden bei 100 % Stimulus gemessen. Bis ca. 85 % Stimulus ist der Farbort von Magenta bei der Matrixmethode noch korrekt. Die Primär- und Sekundärfarben werden häufig bei 75 % gemessen, da fällt der Unterschied dann überhaupt nicht auf.


    Dafür, dass so viel Komplexität aus dem System genommen wurde, finde ich das Ergebnis relativ gut. Bei meinen Messungen fällt mir immer wieder auf, in wie kurzer Zeit sich die Werte verändern (vor allem die Grautreppe). So ein D-ILA ist alles, nur kein zeitstabiles System. Bei einer 3D-LUT wird über einen längeren Zeitraum gemessen und dann alle Werte in ein Ergebnis gepackt. Ich habe immer leichte Bedenken, dass die Messwerte durch den zeitlichen Faktor in sich nicht ganz konsistent sind. Es ist zumindest einen Gedanken wert, das einfach nicht mehr tun zu müssen. Und die Matrixmethode ist eine funktionierende Alternative.

  • Ich habe immer leichte Bedenken, dass die Messwerte durch den zeitlichen Faktor in sich nicht ganz konsistent sind.

    Das ist auch ein Grund, warum ich um die großen Charakterisierungen einen Bogen mache. Projektor (und Sensor) driften mit der Zeit fröhlich vor sich hin.

    ColourSpace hat beim Berechnen der LUT eine Drift Compensation. Ohne die mache ich es nicht mehr.



    Wer denkt, (Hybrid-)Laser-Projektoren driften nicht, täuscht sich. Hier driften Rot und Grün wegen des Phosphor-Elements sogar unabhängig von Blau.

  • Einen Farbraum verlustbehaftet auf einen kleineren abzubilden, ist ja immer ein Kompromiss.

    Das ist in der Tat so. Wenn ich bei ColourSpace die "mach es richtig"-Variante auswähle, passt zwar der Sättigungsverlauf, dafür clippt es für P3 zu früh.


    Persönlich bevorzuge ich, das native Gamut auszunutzen, mit den Farbverschiebungen bei 100% zu leben, aber dafür noch Abstufungen ohne Clipping zu haben.

    Bei 75% spielt die Farbverschiebung bei Magenta auch keine Rolle mehr.


  • Auch hier: lese mit Interesse mit, aber mangels Baufortschritt und somit Projektor fehlt mir (hoffentlich nur "noch") bisher das Verständnis. Aber immer weiter so! :thumbup:

  • Kann das auch an Messungenauigkeiten des Sensors liegen?

    Das passiert nicht nur mit x-rite/calibrite Sensoren mit oder ohne Profilierung. Mein CR-100 wird gegen ein Qalif Spectro profiliert.


    Es ist keine JVC-Spezialität. Die Sonys können das auch.


  • Wenn ich bei ColourSpace die "mach es richtig"-Variante auswähle, passt zwar der Sättigungsverlauf, dafür clippt es für P3 zu früh.

    So sieht das in MPV auch aus, wenn man ein ICC-Profil einbindet. Ich denk auch, dass etwas mehr Sättigung und weniger Clipping sinnvoller ist.



    @alle

    Hier eine kurze Anleitung, wie man die 3D-LUTs erzeugt. Diese korrigieren nur den Gamut, Gamma bleibt unangetastet. Letzteres wird ja mit PCG direkt im Projektor kalibriert.


    1. Primärfarben messen (am besten mit Spektralphotometer)


    2. Mit dem Synthetic Profile Creator von DisplayCAL ein ICC-Profil für den Projektor erzeugen, das die Koordinaten der Primärfarben und als Tonwertkurve "Gamma 2,2" (kann auch ein anderes Gamma sein) beinhaltet. Der Weißpunkt sollte D65 sein, ihr könnt als Vorlage z.B. einfach "Rec709" auswählen und dann die Primärfarben und Gamma anpassen.


    3. ICC-Profile für BT.709 und BT.2020 (ggf. noch für DCI-P3) erstellen. Tonwertkurve und Weißluminanz identisch zu dem ICC-Profil für euren Projektor einstellen. Letzteres ist ganz wichtig, denn wir möchten ja Gamma und Weißpunkt unangetastet lassen und nur den Gamut konvertieren.


    4. Im 3DLUT Maker die 3D-LUTs erzeugen und anschließend im Processor/Renderer/Player einbinden. Man kann noch ein wenig mit der Farbübertragung rumspielen, was dem Rendering Intent entspricht. "Absolut farbmetrisch" sollte in der Regel passen.


    5. Für JVC: Gamma per PCG im Projektor kalibrieren (heller Modus, Farbverwaltung ausgeschaltet, Weißpunkt vorher einstellen). Eine Anleitung dazu gibt es hier. Die hochgeladenen Kurven sind dann im JVC unter "Custom Gamma 1" -> "Import" selektierbar.



    Es sollte dann reichen, alle paar Monate Gamma neu zu kalibrieren und der Rest bleibt einfach so. Das geht natürlich auch ohne PCG für jeden Projektor, der einen in sich linear verhaltenden, nativen Farbraum besitzt, dessen Gamma im Gerät kalibriert werden kann. Man kann Gamma natürlich auch im Video Processor oder der Grafikkarte einstellen. Möglichkeiten gibt es viele.


    Im Gegensatz dazu ist die "volle" 3D-LUT quasi die Brute-Force-Methode, die auch Nichtlinearitäten an beliebigen Punkten im Farbraum korrigieren kann. Wenn man aber zusieht, dass die Nichtlinearitäten gar nicht erst auftreten, wird das Verhalten vorhersagbar und es ist nur noch die Messung der Graustufen und Primärfarben notwendig. Ich hoffe, das ist halbwegs verständlich. Letztendlich machen es ICC-Profile seit Jahrzehnten auch nicht anders. Das Thema ist also uralt. :zwinker2:

  • Ich habe mal etwas näher mit den verschiedenen Rendering Intents (Farbübertragung) beschäftigt. Die unterscheiden sich nicht nur im Grenzbereich des Farbraums teilweise signifikant.


    Hier mal eine kleine Auswahl bezogen auf DCI-P3:


    JVC NP5 nativer Gamut:



    Absolut farbmetrisch:



    Wahrnehmung:



    Luminanz erhaltendes Wahrnehmungs-Erscheinungsbild:



    Sättigung erhalten:



    Wie man sieht, trifft "Absolut farbmetrisch" die Werte, die sich nicht am Rand des Farbraums befinden, am besten. "Wahrnehmung" korrigiert den Farbort von vollgesättigtem Magenta mit 100% Stimulus, allerdings ist die Sättigung bei Rot und Grün etwas verringert. Bei "Luminanz erhalten..." werden Rot und Grün zusätzlich im Farbort eingeschränkt.

    Recht interessant ist "Sättigung erhalten". Hier wird die Sättigung der Farben, die über den Quellfarbraum hinausgehen, erhalten. Das heißt, Blau und Rot und deren Gemische erscheinen bunter. Das ist ggf. für diejenigen interessant, die eine etwas gesteigerte Sättigung korrekten Farben vorziehen.


    Ich werde vorerst weiterhin bei "Absolut farbmetrisch" bleiben. Die Töne im inneren des Farbraums kommen im Filmbild einfach viel häufiger vor als die auf den Rändern liegenden. Und Einstellungen an Grenzfällen auszurichten, ist selten sinnvoll.


    Die 3D-LUTs kann man übrigens kostenlos hier visualisieren (im .cube-Format).


    Absolut farbmetrisch:

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