Noch bevor Casino Royale in die Kinos kam, befand sich dessen Nachfolger - der unbeliebte zweite Teil mit Daniel Craig - bereits in der Preproduction,
Ein Quantum Trost / Quantum of Solace (2008)
Film: 6,5/10 - von November 2007 bis Februar 2008 streikten alle rund 12.000 Hollywood-Autoren für Film und Fernsehen. Buchstäblich Stunden zuvor hatte Paul Haggis das überarbeitete Drehbuch zu Bond #22 fertig; doch richtig fertig war es dann doch nicht. So dass - mangels Autoren - Daniel Craig und Reggiseur Marc Forster die einzigen Personen waren, denen danach Änderungen am Script zustanden. Ein Zustand, den Craig kürzlich sehr deutlich als "verfickten Albtraum" bezeichnete 😶 Viele dieser Änderungen brachten den Teil schließlich deutlich näher an Casino Royale heran als ursprünglich geplant.
In der Pre-Credit Szene bringt Bond Mr. White (aus Casino Royale) in die Obhut des MI-6. Bevor man ihn jedoch verhören kann, gelingt ihm die Flucht. Über [Spoiler] spürt Bond einen Attentäter in Haiti auf, der widerum Camille (Olga Kurylenko) töten sollte, die Freundin des Unternehmers Dominic Greene (Mathieu Amalric). Bond hängt sich an die Fersen Greenes - der offenbar mit Mr. White zusammenhängt - und beginnt, dessen finstere Machenschaften aufzudecken ... Gerade die erste Hälfte des Films ist unglaublich wirr; wer glaubt ich hätte beim Tippen dieser Zeilen ein paar wie-auch-immer gemixte Martinis zu viel intus: Irrtum. So chaotisch-beliebig war Bond seit den 60ern nicht mehr.
Nach dem längsten Teil der Reihe gab es gleich den mit 106 Minuten kürzesten hinterher. Forster hatte das Gefühl, dass der Vorgänger zu lang war und wollte den Nachfolger "eng und schnell ... wie eine Kugel". Autorenstreit, chaotische Pre-Production, zahllose last-minute Änderungen (Craig beschloss, nie wieder einen Film zu drehen wenn das Drehbuch nicht _fertig_ war). Dazu ein verrückter Zeitplan Sonys, der - trotzdem schließlich doch etwas verschoben wurde - dafür sorgte, dass nach Drehende lediglich fünf Wochen für den Schnitt blieben; wir kommen gleich noch dazu. Tomaten #17, metacritic #17, imdb #18 - trotzdem das zweithöchste Bond-Einspiel nach Casino Royale.
Bild: 7/10 - Mit einem Mix aus analogen und digitalen Kameras gefilmt und über ein 2K Intermediate auf die UHD gepresst sieht der Teil ungefähr so aus wie sein Vorgänger. Insgesamt ist die Schärfe etwas homogener, dabei etwas weicher in den Nahaufnahmen und deutlich schärfer in den Totalen. Aber - Schnitt zum Schnitt: Forster nahm sich üblicherweise knapp dreimal so viel Zeit für den Schnitt wie er bei diesem Film hatte. In seiner Not den Zeitplan zu halten brachte er Richard Pearson mit an Bord, der im Schnitt aushalf. Er hatte schon Bourne #2 geschnitten und so kriegen wir nicht nur Wackelkamera in allen Actionszenen, sondern einen Schnitt dessen Frequenz gut und gerne jenseits der 100 liegt. Nicht pro Sequenz, pro Minute! Absolut furchtbar, und ich war - durch den rasanten Einstieg, der einige Actionszenen aneinander reiht - ziemlich angenervt. Die Übersicht geht völlig flöten, das auf 200 Mio $ explodierte Budget geht in einem Schnittregen unter, der im Vergleich das hektischste Musikvideo noch wie eine Folge "The Joy of Painting" mit Bob Ross wirken lässt. Das ausgerechnet die Action derart sch**e aussieht, ist ein Jammer und verdirbt einem arg den Spaß. Roger Moore brachte es auf den Punkt: "zu viele blitzartige Schnitte, [und] es war wie ein Werbespot für die Handlung. Es schien keine Geographie zu geben, und man fragte sich, was zum Teufel da los war."
Ein Scheibchen Trivia gibt's aber noch - Craig beschreibt im Vergleich Teil #1 als Spaziergang und zog sich etliche Verletzungen zu. Olga Kurylenko setzte sich gegen Gal Gadot durch (die, noch zu jung, absagte. Aber von den gleichen Casting-Agenten später in die Fast&Furious Reihe geholt wurde und von dort den Sprung zur lassoschwingenenden Amazone in Patty Jenkins Wonder Woman machte) - und ihre Camille ist das erste Bond-Girl, das nicht mit Bond im Bett landet. Premiere.
Ton: 8/10 (englisch TrueHD) - so chaotisch der Dreh war, so eng war die Zusammenarbeit Forsters mit Stamm-Komponist David Arnold. Der las nicht nur das Skript um ein Gefühl zu bekommen, sondern begleidete den gesamten Dreh sehr eng. Und das hört man, die Art wie Arnold Themen aus dem Vorgänger mitunter in Fetzen auftauchen lässt ist fein gemacht und einfach schön anzuhören. Jaja, ich mag seine Musik einfach gerne, und sie ist das akustische Highlight dieses Teils. Die Referenzen an Casino Royale werden gerne akustisch untermalt und ergeben so ein dichtes Gewebe mit dem Vorgänger. Titel diesmal im Duett von Jack White (The White Stripes) und Alicia Keys; Paul McCartney hatte den Titelsong abgelehnt und Amy Winehouse vorgeschlagen - die sogar eine Demo aufnahm, aufgrund ihrer persönlichen Situation allerdings abgelehnt wurde.
Technische Werte prima, evtl. wirkt der Ton streckenweise einen Hauch angestrengter als im Vorgänger, aber Surroundkulisse und LFE sind tadellos, Score sowieso.
Man sollte den Teil tatsächlich kurz nach Casino Royale schauen, er wird dadurch einfach viel besser - liefert er doch Motivation und Grundlage für das Spiel Craigs. Lasst euch nicht von den schrecklich zerschnittenen Actionszenen abschrecken, auch nicht vom chaotischen Einstieg - Augen zudrücken und einen gar nicht so schlechten Bond schauen. Der aber, gegen den großartigen Vorgänger, einfach nur verlieren konnte.