Hallo zusammen,
ich möchte von meiner Seite noch etwas zum Thema Sterilität von korrigierten LS beisteuern. Hier spielen eine ganze Reihe von Faktoren hinein - jedenfalls bei unserem Thema Acourate. Grundsätzlich: Je mehr Acourate arbeiten muss, um die angestrebte Linearität in Bezug auf Phase und Frequenz hinzubekommen, desto mehr Artefakte schleichen sich ein - durch den Korrekturvorgang künstlich entstandene Signalanteile also, die nicht im Original enthalten sind - am ehesten im Hochtonbereich zu vernehmen. Sie tragen mit dazu bei, dass ein korrigiertes Ergebnis künstlich (oder auch steril) klingt. Erstellt einfach mal probeweise ein Extrem-Filter im Makro1 mit den Werten 60 / 30 oder in Makro 4 mit 4 / 30 (also mit heftigem Preringing), dann nimmt der Eindruck der Künstlichkeit zu.
Wann muss Acourate besonders arbeiten - also besonders auskorrigieren? Wenn die Abstimmung des LS schlecht ist, die Weiche größere "Phasenschweinereien" produziert und - nicht zu vergessen - der Raum bzw. die LS-Aufstellung sehr ungünstige Werte bei der LSR2-Messung aufzeigt, d.h. extreme Raummoden, viele Diffus-Schallanteile, die ersten Reflektionen sehr stark ausgeprägt sind etc.
Man sollte also zunächst mit raumakustischen Behandlungen versuchen, den Hallradius zu erweitern, einen vernünftigen RT60-Wert hinbekommen und in Bezug auf die Positionierung von LS und Hörplatz im Raum die Minima und Maxima der Bassanteile berücksichtigen.
Desweiteren empfiehlt sich, wie vorher schon richtig erwähnt wurde, der Einsatz der Prefilter, um die Korrektur der Weiche von der Korrektur der Raumeinflüsse zu trennen und damit effizienter zu gestalten. Auch das reduziert in einem gewissen Umfang die Artefakte.
Und dann kommt noch etwas dazu: Die Anlage muss auch in der Lage sein, die Korrekturimpulse des Filters angemessen umzusetzen. Extremes Beispiel: Ein mit Acourate eingemessener PC-Lautsprecher für 20,- € wird nicht in der Lage sein, die von Acourate im Filter richtig berechneten Korrekturimpulse umzusetzen. Das beginnt bereits bei dem zu kleinen und zu billigen Chassis, um z.B. bis 20Hz zu übertragen. Eher springt die Box vom Tisch bzw. raucht ab, wenn der Filter sagt, dass im Bassbereich bis 40dB angehoben werden muß, damit er genauso laut wie der Mittenbereich klingt. Aber auch viele einfachere Hifi-Boxen bzw. Verstärker können weder die Zeitkorrktur noch die tonale Korrektur richtig umsetzen.
Wie gut das eine Wiedergabe-Kette hinbekommt, kann folgender Test veranschaulichen. Man führt eine ganz normale Messung am Hörplatz durch, lässt sie von Acourate durchrechnen und erstellt die Filter. Dann simuliert man die durch das Filter am Hörplatz erzielbare Korrektur durch Makro5. Die Korrektur erscheint auf Curve 1 und 2 (bei Stereo). Dann misst man mit dem LSR2 wieder seinen Sweep, diesmal aber füttert man den LSR2 mit dem eben erstellten Filter, sodass die Wiedergabe von Sweep und Dirac-Pulse durch das Filter läuft. Man erhält dann die üblichen PulseL.dbl und PulseR.dbl. Diese lädt man dann in Acourate in Curve 3+4.
Man kann also nun die beide Kurven übereinander sehen, nämlich den Soll-Wert durch die Korrektursimulation von Makro 5 und den Ist-Wert der realen Wiedergabekette, dargestellt durch die Kurve 3+4, die das reale Korrekturverhalten des Lautsprechers zeigt. Im Idealfall zeigt sowohl der FG als auch die Sprungantwort identische Verläufe bei Soll- und Ist-Wert. Je mehr Übereinstimmunge von Curve 1 mit 3 und Curve 2 mit 4, desto mehr ist die Wiedergabekette in der Lage, den Korrekturimpuls umzusetzen.
Wenn all das angemessen berücksichtigt wird - natürlich immer in den Maßen, wie es die räumlichen, finanziellen und technischen Möglichkeiten erlauben - dann wird man mit Acourate sicher kein steriles Ergebnis erzielen, sondern eines, welches sich natürlich anhört; und da gehört die Wärme ebenso wie der Schmelz im Klang dazu - immerhin soll der Klang Emotionen rüberbringen. In meinem Setup jedenfalls kann man beides hören, würde ich behaupten - und es hat auch noch nie ein Hörer bei mir geäußert, dass es steril und künstlich klingt.
Grüße
Fujak
P.S.: Noch ein Nachtrag zum Redakteur: Die Behauptung dass der verzögerte Bass mit der größeren Membranfläche zu tun hat, bei der mehr Masse bei meistens mehr Hub bewegt werden muss, stimmt zunächst, ist aber nur die Hälfte der ganzen Wahrheit, denn: Ein schlechtes Weichen-Layout kann dies noch verschlimmern, ein gutes kann dem entgegenwirken. Manche Hersteller bauen von vornherein die Schallwand schräg auf, wie z.B. einige Modelle von Sonus Faber, Audio Physics, KSDigital u.a.. Das sind aber immer nur Näherungen an eine Lösung, denn man muss eine mittlere Abhörentfernung voraussetzen, für die das gilt. Exakt wird es erst durch ein auf den Hörplatz (=realen Hörabstand) ausgerichtetes FIR-Filter.