Nachdem der Abspann gelaufen (nicht weggeskippt) ist, stellt man sich doch die Frage, ob alleine der Name "Spielberg" auf dem Regiestuhl höher ins Regal greifen lässt, oder nicht. Es gab
Die Fabelmans (Blu)
Film: 8/10 - In guten zweieinhalb Stunden teilen wir etwa zehn "Coming-of-Age" Jahre mit Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) zwischen Mitte der 50er und Mitte der 60er Jahre. Er lebt in den Staaten und zieht mit seinen drei Schwestern, Mutter Mitzi (Michelle Williams) und dem liebenswert-genialen Vater Burt (Paul Dano) von Ort zu Ort. Stets einem noch besser bezahlten Job seines Vaters hinterher. Der schafft es auch stets, eine Stelle für "Onkel Bennie" (Seth Rogen) zu schaffen, bester Freund des Vaters, und der Mutter. Zu Beginn des Films nehmen Mom+Dad ihren kleinen Sammy das erste Mal mit ins Kino, ein Erlebnis dass den Jungen fortan prägt und in ihm die Leidenschaft weckt, Filme zu schaffen.
Während das Leben rund um Familie Fabelman geschieht, wird vor allem die Entwicklung von Sammy erzählt. Im Geflecht aus Liebe zu seiner Familie, Pubertät, ständigen Ortswechseln und dem jüdischen Hintergrund seiner Familie ist es das Filmemachen, das Sammy antreibt.
Die Fabelmans sind vielleicht Spielbergs persönlichstes Werk, schildern sie doch unter anderem Namen als dem eigenen die Jugendjahre des Regisseurs. Sicher gibt es manche Änderungen, Seth Rogen fragte daher am Set häufiger nach, ob sich diese oder jene Begebenheit tatsächlich so abgespielt habe. Stevens Antwort war zu 100% "ja, genau so". Jedes Einzelbild dieses wunderbaren Films sprüht vor Wärme und Liebe zum Film, wie sollte es anders sein bei einem autobiografischen Werk aus Spielbergs Feder.
2023 war das Jahr, in dem "Everything, everywhere, all at once" eine unglaublich Zahl Oscars eingesammelt hat und es den Fabelmans verwehrt hat, auch nur eine der sieben Nominierungen in einen Goldjungen zu verwandeln. Über Gerechtfertigkeit darf bei Awards aller Art gerne gestritten werden, zeigt die schiere Anzahl jedoch, dass wir es möglicherweise mit einem besonderen Streifen zu tun haben. Ein Film, dessen Kernthema "Film" ist, das wird gerne belohnt.
Bild: 8,5/10 - Niemand anderes als Janusz Kaminski fängt die Geschichte von Sammy ein, und natürlich sind es Negative von Kodak in den Formaten 8mm, 16mm und 35mm, die die Geschichte der Familie in leuchtend-warmen Farben auf die 16:9 Leinwand malen. Einen Teil des Charmes machen die frühen Werke von Sammy aus, deren Entstehungsgeschichte im Film nachgezeichnet wird. Spielberg gibt freimütig zu, dass zwar alles so authentisch wie möglich nachgedreht wurde - er es aber doch nicht lassen konnte manche Einstellung zu verbessern.
Viele Einstellungen Kaminskis sind einfach wunderschön, das fängt bei den genau nachgebildeten verschiedenen Häusern der Familie an und hört bei den Filmen im Film auf. Die Ausstattung atmet den Zeitgeist der 50er und 60er und in mancher Innen- wie Außenaufnahme ist schon die Beleuchtung eine Verbeugung vor dem zelluloidgewordenen Look der damaligen Zeit. Einfach schön anzusehen.
Ton: 8/10 - Wenn Spielberg fragt, kann John Williams auch mit 91 Jahren nicht Nein sagen, und so hat er auch für dieses Werk die Noten auf Papier gesetzt. So wie immer mit Bleistift, Note für Note. Diesmal - Mitzi spielt mit Begeisterung Klavier - sehr klavierlastig. Joanne Pierce Martin bringt sowohl die Musik Williams als auch die große Auswahl klassischer Werke zu Ohr. Und das mit einer Leichtigkeit, dass das Trommelfell Gänsehaut bekommt. Heißt es weder Williams, noch klassisches Klavier, so heißt es Popnummern aus dem Radio, die den Film mit Energie und guter Laune durch die Einstellungen treiben. Deep Space Nine Fans aufgehorcht, eine Sequenz von wird Vic Fontaine, Pardon - James Darren musikalisch begleitet ;)
Tja, und nun? Greift man höher ins Regal wenn Spielberg draufsteht? Metacritic 'nen Zehner höher als der imdb Schnitt sind ein gutes Indiz für Kritiker-Liebe. Eine Liebesgeschichte an den Film, wie kann man die als Filmliebhaber nicht lieben?
Eine oft gehört Kritik ist, dass das alles etwas lang ist und manchmal nicht so viel passiert. Ich denke der Film entfaltet, wie beispielsweise auch "Almost Famous", gerade daraus dass er sich Zeit nimmt seine Wirkung. Also liegt, mindestens hier, der Fall anders. Als Kinofan im weitesten Sinne kann man einfach nicht unberührt bleiben, so zumindest ist es mir ergangen. Liebenswerte Charaktere und Darsteller, Kamera und Musik vom Dreamteam, Spielberg ... nein, der Film ist bezaubernd. Verzaubernd? Schaut selbst, wenn noch nicht geschehen.