Bau des Heimkinos im Elternhaus - Teil 2
Kalte Füße
Den wärmetechnischen Unzulänglichkeiten des Raumes (Kellerraum unter der Garage, Baujahr 1977, wenig Dämmung in allen Richtungen) wurde durch die Installation elektrischer Heizkörper entgegen gewirkt. Im Winter war es angebracht diese mindestens eine Stunde vor geplantem Filmstart zu aktivieren um zumindest die Raumluft von 15 Grad auf knapp 20 Grad zu erwärmen. Auf den vorhandenen PVC Boden wurde zur Vermeidung kalter Füße ein hellgrauer Teppich verlegt. (Restlichtoptimierung war auch beim Boden noch kein Thema).
Die zusammengewürfelten einzelnen Sessel mussten zwei hintereinander angeordneten roten Sofas eines schwedischen Möbelhauses weichen.
Den Erfahrungen im Filmclub geschuldet und in Anlehnung an das große Vorbild wurde zur Vermeidung allzu intensiven Studiums der Kopfbehaarung des Vordermanns (weibliche Mitbenutzer wurden zu dieser Zeit noch eher selten gesichtet) ein Podest gezimmert und mit Teppich bezogen. Auf das Fensterbrett des Kellerfensters wurden mit Schaumstoff und Samt bezogene Holzplatten gestellt um den Raum bei Filmgenuss untertags abzudunkeln, aber trotzdem bei Bedarf lüften zu können.
Erdbeben
Die Zuspielung erfolgte anfänglich mit VHS wurde aber rasch von Laserdiscs abgelöst. Der qualitative Zugewinn durch den Pioneer Laserdisc Player mit AC3-RF Ausgang und doppeltem Lesekopf (die Discs mussten nicht gedreht werden) war beim Bild enorm und beim Ton bei NTSC Laserdiscs mit AC3 exorbitant. Durch modale Unterstützung konnten selbst die kleinen Subwoofer Erschütterungen hervorrufen die unsere Eltern an Erdbeben glauben ließen.
Jung und naiv wie ich war dachte ich „Besser geht’s nicht mehr. Ziel erreicht!“.
Von der Erkenntnis, dass sich das Ziel bereits wieder in Bewegung gesetzt hatte und dies unabänderlich jederzeit wieder tun könnte, war ich noch Jahre entfernt.
Im Auftrag des Teufels
Von überschwänglichen Testberichten verführt, wurde ein THX zertifiziertes (das erschien mir damals besonders erstrebenswert, schließlich bekam ich beim THX Logo im Kino regelmäßig Gänsehaut) Teufel Theater 8 angeschafft. Mit den drei identischen Frontspeakern M900 war plötzlich eine homogene Frontbeschallung gegeben.
6914BC3B-6DC8-438C-9800-51C57F5E3B19.jpeg
Als Antrieb der 2 passiven Subwoofer kam ein Denon POA T2 ins Haus. Die Dipol-Surroundboxen wurden in der auf beiden Seitenwänden großflächig vorhandenen DVD und Laserdisc Regalen montiert, welche die Vorhänge Zug um Zug abgelöst hatten. Ja, mittlerweile war bereits das DVD Zeitalter angebrochen. In bester Early Adopter Manier hatten wir bereits mehrere DVDs (Mitbringsel von einem New York Besuch des Bruders) bevor ein entsprechender Player gekauft wurde. Da damals Kinostarts und DVD-Auswertungen in den USA oft bis zu einem halben Jahr dem europäischen Festland voraus waren, hatten wir nicht selten bereits zum heimischen Kinostart die DVD zu Hause. Oft nur teilweises Verstehen der Dialoge, aufgrund offensichtlichem Desinteresses am Englischunterricht (und mangelnder Begabung) in der Schule, schränkte die Freude nicht allzu sehr ein. Schließlich ist Film ein optisches Medium und den damals überwiegend aus Horrorfilmen bestehenden Filmimporten konnte man auch folgen ohne jedes Wort zu verstehen.
The Lucky One
Bereits längere Zeit mit dem Floh im Ohr, für wahre Perfektion muss der Ton aus dem Bild kommen, bot sich plötzlich die Chance eine Stewart Leinwand mit akustisch transparenten Tuch zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen. Kurz entschlossen die Möglichkeit beim Schopfe packend wurde zum Verkäufer Kontakt aufgenommen, Konditionen verhandelt und das Geschäft abgeschlossen. Vorausgegangen waren allerdings eingehende Diskussionen mit dem Korrektiv, schließlich war trotz ungefähr halbiertem Listenpreis die Investition nicht unerheblich. Der ursprüngliche Käufer hatte sich zu seinem Pech und unserem Glück bei seinen Raumdimensionen vermessen und konnte die eigens für ihn gefertigte Leinwand nicht verwenden. Daher musste er diese noch Originalverpackt wiederverkaufen. Für unseren Raum passte sie wie angegossen. Sie füllte die Front auf ganzer Breite. Es war eine Stewart Luxus Deluxe Screenwall Electrimask Rahmenleinwand mit StudioTek 130 Tuch, in microperforierter Ausführung, im 16 zu 9 Format mit 2,90 m sichtbarer Bildbreite und elektrischer Maskierung. Mit einer Mischung aus Vorfreude und Anspannung wurde die Lieferung erwartet, erfüllte doch ein Versuch im Vorfeld mit einer akustisch transparenten Leinwand eines anderen Herstellers die hoch gesteckten Erwartungen in keiner Weise. Die Lochstruktur war bei diesem Tuch noch aus der hintersten Ecke des Raumes sichtbar. Nach erfolgreichem Aufbau der Stewart Leinwand war der Eindruck, ob der neu gewonnen Breite und des nun aus dem Bild kommenden Tons, trotz der aus heutigen Sicht lächerlichen Helligkeit, schlicht überwältigend. Aus näherem Betrachtungsabstand konnte bei hellen gleichmäßigen Bildteilen während Schwenks zwar manchmal eine gewisse Struktur erspäht werden, doch das war ein verschmerzbarer Schönheitsfehler.
Die folgenden Jahre vergingen mit dem Aufbau einer umfangreichen DVD Sammlung und unzähligen Filmsessions. Nach gemeinsamen Einkaufsfahrten mussten oft 20 Neuanschaffungen im DVD Regal verstaut werden. Schließlich wurde auch der Projektor auf einen Sony VPL VW10HT upgegradet. Und das Licht ging an.
Damit war das Ziel erreicht. Wieder einmal. Fürs Erste.
Doch schon bald kamen Erste Gedanken zum Bau eines eigenen Hauses mit gemeinsamen Kino.
Aber dies ist eine andere Geschichte.